Oekom Verlag München 2015, Herausgeber Stephan Lorenz und Kerstin Stark
Bienen sind fleissig, pelzig, sympathisch und doch wehrhaft. Sie leben in einer demokratischen Monarchie und häufen unvorstellbare Reichtümer in Form von Honig an. Von jeher geht von ihnen eine besondere Faszination aus und sie sind seit langem Teil unserer Kultur.
„Menschen und Bienen. Ein nachhaltiges Miteinander in Gefahr“ beleuchtet das Zusammenleben von Menschen und Bienen, deren gegenseitige Abhängigkeit, die Ursachen der Gefährdung der Bienen und die möglichen Folgen. Es ist eine Sammlung von Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Die Spezialisierungen der Autorinnen und Autoren, die an diesem Buch mitgewirkt haben, sind breit gefächert und entsprechend divers sind ihre Perspektiven. Biologen aus der Ökologie, Neuro- und Verhaltensbiologie, Entomologie, Gartenbau- und Agrarwissenschaftler kommen ebenso zu Wort wie Soziologen, Experten der Volkswirtschaftslehre und Literaturwissenschaftler. Durch diese Bandbreite wird deutlich, wie stark das Zusammenleben von Mensch und Biene verwoben ist und wie komplex und vielschichtig die Problematik der Bienengefährdung ist.
Menschen und Bienen leben seit vielen Jahrtausenden zusammen und im Laufe der Zeit hat sich daraus eine gegenseitige Abhängigkeit entwickelt. Die Bienenprodukte Wachs und Honig waren früher alternativlos und der Mensch begann, die Biene zu domestizieren. Heute braucht der Mensch die Biene als Bestäuberin in der landwirtschaftlichen Produktion In der von Menschen geprägten Kulturlandschaft kommt die Honigbiene Apis mellifera kaum noch wild vor; hier hängt ihr Überleben von der menschlichen Bienenhaltung ab. Immer wieder treten durch den Menschen bedingte Schwankungen der Bienendichte auf, nämlich zum Beispiel dann, wenn gesellschaftliche Entwicklungen und Ereignisse die Bienenhaltung beeinflussen. Weniger Bienenvölker gibt es beispielsweise als Folge von Krieg oder politischen Veränderungen (z. B. die deutsche Wiedervereinigung). Auch demographische Entwicklungen, wie das Durchschnittsalter der Imkerschaft, schlagen sich in der Bienenhaltung nieder. Diese Entwicklungen werden anschaulich dargestellt.
Die heutige Gefährdung der Bienen durch eingeschleppte Parasiten, Krankheitserreger, Umweltverschmutzung, Einschränkungen des Lebensraumes, Einsatz von Agrochemikalien, usw. bilden einen Schwerpunkt des Buches. Durch die Auswahl der Autoren gelingt es den Herausgebern Stephan Lorenz und Kerstin Stark, das ganze Ausmaß der Problematik zu zeigen. Honigbienen als invasive, vom Menschen verbreitete Art in Amerika und Australien, Wechselwirkung und Zusammenspiel verschiedener Bestäuber, Bedeutung der Biodiversität, der Einfluss der imkerlichen Praxis, wirtschaftliche Zusammenhänge und Maßnahmen auf politischer Ebene werden diskutiert. Hierbei werden Kontraste wie die Beschreibung der Bestäubungsindustrie in den riesigen Monokulturen der USA im Gegensatz zum Trend zur wesensgemäßen Bienenhaltung in Deutschland gezeichnet. Experten aus der Industrie kommen ebenso zu Wort wie Vertreter von Naturschutzorganisationen und Imkerverbänden. Die Subjektivität der Einzelbeiträge lässt interessante Spannungsfelder entstehen und verdeutlicht unterschiedliche Standpunkte und Interessen. Als Leser fängt man schnell an, nachzudenken, die Argumente aller Seiten abzuwägen und kritisch zu betrachten.
Es gibt Bücher, bei denen denkt man: „Mmmpf, schon wieder…“ und ist eigentlich nur wenig motiviert, weiter zu lesen. So ging es mir bei „Menschen und Bienen“. Der erste Satz des Klappentextes lautet dann auch: „Seit einigen Jahren ist das Bienensterben in aller Munde.“ Ja, das ist es. Es gibt regelmäßige, mehr oder weniger reißerische Berichte in der Presse, gute und weniger gute Dokumentarsendungen, Kinofilme, Petitionen, Trends und Modeerscheinungen in der Imkerei. Bienen sind „in“ und dienen neuerdings sogar als Werbeträger. Hier in der Schweiz haben allein drei Grossverteiler Bienen für ihr Marketing entdeckt und engagieren sich in Projekten zum Bienenschutz. Eine Partei nutzt die Biene für ihren Wahlkampf. Grundsätzlich ist das nicht schlecht, denn die Bienen brauchen unsere Aufmerksamkeit und ihre mediale Präsenz erreicht eine breite Öffentlichkeit und sensibilisiert. Es verstärkt sich jedoch der Eindruck, jeder möchte dabei sein und ein Stückchen vom Kuchen abbekommen. Und jetzt noch ein Buch? Ist das nötig? Im Fall von „Menschen und Bienen“: Ja! Denn es hebt sich von den Werken zur Biologie der Bienen und der Bienenhaltung dadurch ab, dass es die Beziehung zwischen Mensch und Biene gesellschaftlich betrachtet und in einen grossen Zusammenhang setzt.
Das Buch ist für eine breite Leserschaft interessant. So unterschiedlich die Spezialisierungen und Blickwinkel der Autorinnen und Autoren, so unterschiedlich sind aber auch ihre Schreibstile. Während sich einige Kapitel leicht und flüssig lesen, kommen andere eher trocken daher und lesen sich wie Forschungsberichte. Stellenweise merkt man deutlich, dass die Schreibenden gewohnt sind, Texte für Ihresgleichen zu verfassen. Insgesamt ist der Stil wissenschaftlich und die Zielgruppe wird dadurch auf ein interessiertes Fachpublikum eingeschränkt. Das ist schade, denn durch seine große Bandbreite hebt sich das Buch angenehm von anderen Werken zum Thema ab. Durch eine entsprechende Angleichung der Texte und insgesamt eine leserfreundlichere Gestaltung könnte das Buch ein grösseres Zielpublikum erreichen.
Fazit: Wer sich für Umweltschutzthemen interessiert, vor deren Komplexität nicht zurückschreckt und bereit ist, sich dafür auch mal durch ein etwas trockeneres Kapitel zu beißen: absolute Leseempfehlung! Für Bienenmenschen ist „Menschen und Bienen“ fast ein Muss.
Schreibe einen Kommentar